Die zyklisch dynamischen Beanspruchungen des Zugbetriebes verursachen eine Reihe von Schädigungen an der Schiene. Durch die stetige Zunahme der Belastungen in Form von höheren Achslasten und Traktionskräften sind die Infrastrukturbetreiber vor neue Herausforderungen gestellt worden.
Die explosionsartige Entstehung von Rollkontaktermüdungsschäden europaweit, so genannten Head Checks, bringen erhebliche Instandhaltungsarbeiten und Erneuerungsmaßnahmen mit sich, die hohe monetäre Aufwendungen und Verfügbarkeitseinschränkungen nach sich ziehen. Durch eine zielgerichtete Schieneninstandhaltung auf LCC Basis kann jedoch der Substanzverzehr verzögert und die Nutzungsdauer der Schiene verlängert werden. Die zustandsabhängige Instandhaltung verlangt jedoch, dass der Regelkreislauf Schienenschädigungsmessung – Schienenschleifen – Reinvestitionszeitpunkt konsequent gelebt werden muss. Im folgenden Artikel werden die sehr erfolgreichen Aktivitäten der ÖBB Infrastruktur AG hinsichtlich Life Cycle Management Schiene dargestellt.
Einleitung
Das Ziel des Infrastrukturbetreibers ist die Bereitstellung eines sicheren und wirtschaftlichen Fahrweges, dazu zählt vor allem die Gewährleistung einer fahrtechnisch optimalen Schienenfahrbahn. Um dies sicher zu stellen, werden bei der ÖBB Infrastruktur AG jährlich rund 650 km Gleis und ca. 700 Weichen schleiftechnisch bearbeitet und 500 km Schiene erneuert. Bei ca. 80 % der Schleifleistung handelt es sich um Entfernung von Rollkontaktermüdungsschäden an der Schienenoberfläche.
Das Phänomen der Rollkontaktermüdung mit all seinen Ausprägungen steht in einem direkten Zusammenhang mit den Kontaktbedingungen zwischen Rad und Schiene, wird jedoch auch von anderen Parametern wie beispielsweise Traktionskräfte, Schlüpfe, Reibungsbeiwerte oder Oberflächenbeschaffenheit beeinflusst.
Bei den Head Checks handelt es sich um ein Dauerfestigkeitsversagen in der Rad/Schiene Kontaktfläche und somit Schädigungen aufgrund ständig konzentriert wirkender Krafteintragungen mit entsprechender Überschreitung der aufnehmbaren Materialschubspannung. Die dadurch entstehenden Materialverschiebungen im Fahrkantenbereich der Schiene schreiten umso schneller voran, je mehr rollkontaktermüdungssensible Parameter örtlich vorhanden sind. Diese Schädigungen sind fast ausschließlich im Außenstrang von Bögen von 300 bis 3 000 m Radius anzutreffen (Bild 1).
Aufgrund der Bogenlaufkräfte können die unterschiedlichen Rollkontaktermüdungsverhalten und Verschleißraten vereinfacht in drei Radienbereiche eingeteilt werden.
Bögen mit R > 3 000 m und gerade Strecken
- Geringe Head Check-Bildung durch die nicht vorhandene permanente Rad/Schiene-Berührung im Bereich der Fahrkante
- Geringer Substanzverzehr (Höhen- und Seitenabnützung) der Schiene
Bögen mit 300 m < R < 3 000 m
- Starke Head Check-Bildung im Speziellen bis Radien unter 1 200 m möglich. Der Berührpunkt liegt im Bereich der Fahrkante. Die Bogenlaufkräfte verursachen wenig Seitenverschleiß, Head Checks werden durch den Rad- Schiene Kontakt nicht abgetragen
- Bei einem Bogenradius größer 600 m ist der Seitenverschleiß üblicherweise sehr gering, d.h. die Gefahr der Head Check-Bildung steigt
Bögen mit R < 300 m
- Hohe Gefahr an Schlupfwellenbildung
- Geringe Head Check-Bildung da durch den massiven Verschleiß der Schiene die Head Checks nicht entstehen können bzw. umgehend weggeschliffen werden
Rissentstehung und Risswachstum von Head Checks
Das Risswachstum der Head Checks kann in zwei Phasen eingeteilt werden.
Phase I: frühe Wachstumsphase mit geringem Rissfortschritt
In der anfänglichen Phase dringen die Risse durch die hochfeste Schicht an der Schienenoberfläche, danach wachsen die Risse unter einem Winkel von ca. 30° weiter in die Tiefe. Gleichzeitig wird der sichtbare Riss an der Oberfläche länger. In Verbindung mit den Head Checks wird sogenanntes „Spalling“ in der ersten Phase der Entstehung von Head Checks beobachtet. Darunter versteht man Ausbrüche einzelner Facetten am Schienenkopf (Bild 2).
Phase II: Risswachstum im fortgeschrittenen Stadium
Ab einer Risstiefe von ca. 3 – 5 mm ändern Head Checks ihren Wachstumsverlauf. Benachbarte Risse wachsen zusammen, Ausbrüche an der Fahrkante entstehen oder die Risslänge vergrößert sich und der Riss wächst in die Tiefe. Durch das Zusammenwachsen der Risse in der Tiefe kommt es zu Ausbrüchen an der Fahrkante.
Die Schienen müssen in der Phase I behandelt werden um ein weiteres eindringen der Risse in den Schienenkopf verhindern zu können. Für dieses Entfernen stehen eine Vielzahl an Methoden zur Verfügung wie Beispielsweise Fräsen, Schleifen oder Hobeln. Jedoch ist festzuhalten, dass ein Abtrag von mehr als 3 mm in den seltensten Fällen wirtschaftlich ist, und daher die Eingriffsschwellen für die Schienenbehandlung tiefer angesetzt werden müssen. Die ÖBB verfolgen hier das Ziel, ab einer Risstiefe von 1 mm einen Schleifeinsatz zu planen ist, um so die Phase II der Head Check Bildung zu verhindern.
Schleifplanung basierend auf Grenzwerten
Die Planung und Festlegung der zu bearbeitenden Schleifabschnitte erfolgt unter Berücksichtigung der jeweils aktuellen Ergebnisse der Messdaten. Die für die Schleifplanung herangezogenen Messdaten der Schienenoberfläche werden mit dem oberbautechnischen Messwagen EM 250 der ÖBB erfasst, die Wirbelstromprüfung zur Head Check Erkennung erfolgt durch die MÁV KFV Kft.
Im Jahr 2013 wurde das Schienenpflegeprogramm optimiert und die regionalen Anlagenverantwortlichen erstmals durch einen bundesweiten Schleifvorschlag des Fachbereiches Life-Cycle Management (LCM) unterstützt.
Hierfür wurden die für die Schleifplanung relevanten Messdaten wie Achslagerbeschleunigung, äquivalente Konizität und Wirbelstromprüfung halbautomatisch ausgewertet und in einem weiteren Schritt priorisiert. Für die Einsatzplanung wurden physikalisch messbare Grenzwerte auf LCC Basis für Schlupfwellen, äquivalente Konizität und Head Checks definiert.
Riffel und Schlupfwellen: (Mindestüberschreitungslänge: 15 m)
10 g Achslagerbeschleunigung (Mittelwert)
Äquivalente Konizität: (Mindestüberschreitungslänge: 20 m)
Streckenrang S: (hochrangige Strecken)
0,35 (80-120 km/h)
0,20 (121-160 km/h)
Head Checks: (Mindestüberschreitungslänge: 2 m)
1 mm Risstiefe
Daraus ergeben sich bei einer täglichen Belastung von rund 70 000 Bruttotonnen in Abhängigkeit vom Radius folgende soll-Bearbeitungsintervalle: Bild 3.
Bei den ÖBB wird auf den hochrangingen Strecken das Konzept der „integrierten Instandhaltung“ verfolgt. Hierbei wird das Gleisstopfen und das Schienenschleifen in einer Sperrpause durchgeführt. Neben einer Verfügbarkeitsoptimierung ergibt sich dadurch eine sehr hohe Instandhaltungsqualität.
Darstellung des Schienenzustandes durch NATAS
NATAS (New Austrian Track Analysing System) ist das Expertensystem der ÖBB Infrastruktur AG zur Darstellung der Oberbaumessdaten und weiteren verfügbaren Gleisinformationen. Es ist also eine Methode zur zentralen, objektiven Beschreibung des Gleiszustandes. Das Sonderblatt „Integrierte Schienenzustandsanalyse“ beinhaltet alle Daten, die zur Erfassung und Beurteilung des Schienenzustandes relevant sind (Bild 4).
Dies beinhaltet sowohl Messdaten zum Verschleiß, der Schienenoberfläche als auch Trassierungs- und Instandhaltungsdaten. Zusätzlich werden die dazugehörigen Eingriffsschwellen für die jeweiligen Messsignale und Anlagedaten wie Weichen, Bahnhöfe, Brücken, Tunnel, Signale usw. dargestellt. Die Streckendarstellung erfolgt auf mehreren Blättern auf denen je 5 km eines Gleises abgebildet sind, wobei folgende Parameter dargestellt werden.
- Spurweite
- äquivalente Konizität
- Schienenneigung
- Achslagerbeschleunigung bzw. Riffel-/Schlupfwellen
- Seitenabnützung bzw. verglichene Höhenabnützung
- Risstiefe von Head Checks
Risstiefe Schiene links bzw. rechts:
In diesen zwei Diagrammen erfolgt die Darstellung der Ergebnisse der Wirbelstromprüfung. Dabei werden neben der erfassten Head Check Risstiefe auch Informationen zur Rissanzahl pro Meter dargestellt. Zusätzlich werden etwaige Prüfausfälle bzw. Prüflücken in grau angezeigt. Prüflücken entstehen z.B. bei Herzstücken von Weichen oder bei Eisenbahnkreuzungen, bei denen ein Abheben der Prüfsonden erforderlich ist.
Die gemessene Risstiefe wird in unterschiedlichen Farben (grün, gelb, orange, rot) dargestellt. Der horizontale Balken am oberen Rand des Diagrammes gibt Auskunft über die Plausibilität des Messsignals. Grün bedeutet ein plausibles Signal, gelb das weniger als 100 Head Check Risse pro Meter und rot, dass mehr als 370 Head Check Risse pro Meter erkannt wurden. In solchen Fällen kann es vorkommen, dass es sich bei der dargestellten Schädigung nicht um Head Checks, sondern um andere Oberflächenfehler wie Riffel o.ä. handelt.
Durch die bundesweit zentrale Auswertung können somit bedarfsgerechte Maschineneinsatzplanung und Priorisierungen der Schleifeinsätze gewährleistet werden.
Aus technischen Gründen ist die Schienenoberflächenbearbeitung nur für einen ganzen Bogen (von Übergangsbogenanfang bis Übergangsbogenanfang) sinnvoll. Daher werden aus den Abschnitten mit überschrittenen Eingriffsschwellen im nächsten Schritt die Bearbeitungsbereiche dh. Schleiflängen festgelegt.
Nach Abschluss der Auswertungen durch den Fachbereich LCM ergeht der Schleifvorschlag und der jeweils überschrittenen Grenzwerte an die regionalen Anlagenverantwortlichen. Diese überprüfen und bearbeiten diesen unter der Berücksichtigung von bereits geplanten Arbeiten wie Gleiserneuerungen oder Schienenwechsel. Ebenso kann der Vorschlag auch um bisher noch nicht angeführte Abschnitte erweitert werden. Danach werden die Bearbeitungsabschnitte fixiert und zentralisiert in einem bundesweiten Arbeitsprogramm zusammengeführt. Auf Basis des Arbeitsprogrammes wird die Umsetzung der Schienenoberflächenbearbeitung (Schleifungen) überwacht und noch zusätzlich Qualität Audits während bzw. nach den Schleifarbeiten durchgeführt.
Zusammenfassung: Grundvoraussetzungen und Innovation für das Schleifprogramm
Am Eisenbahnfahrweg müssen aufgrund der Wechselbeanspruchungen regelmäßige Instandhaltungs- und Erneuerungsarbeiten durchgeführt werden, um eine kontinuierliche Qualität der Anlage sicherzustellen.
Im vorliegenden Artikel wurde das Schienenschleifen als elementarer Bestandteil der technisch wirtschaftlichen Gleisinstandhaltung vorgestellt. Durch die angestellten LCC Analysen lässt sich zeigen, dass sich die Erhaltungskosten für Head Check gefährdete Bögen durch zyklisches Schleifen massiv senken lassen. Erst durch die regelmäßige Schienenpflege kann die Schienenliegedauer auf 40 Jahre verlängert werden und entspricht somit der Liegedauer der Betonschwelle. Unter Berücksichtigung der zuvor erwähnten Eingriffsschwellen ergibt sich für Bögen 600 < R < 1.000 m mit einer Belastung von 70.000 Bruttotonnen/Tag ein soll-Schleifintervall von rund 6 Jahren. Bei engeren Bögen muss das Intervall entsprechend verkürzt werden.
Durch die Barwertmethode ausgedrückt zeigen sich die Instandhaltungskosten für einen Kilometer Gleis mit einer täglichen Belastung von 70 000 Bruttotonnen am Tag und einem Bogen 600 < R < 1 000 m mit Schienenschleifen 64 000 euro/km/30 Jahre. Ohne Schienenschleifen steigen diese Kosten aufgrund des notwendigen (vorzeitigen) Schienentauschs auf 290 000 euro/km/30 Jahre. Entscheidend für die Implementierung in die Instandhaltungsstrategie Schiene ist die verbesserte Planungsqualität, die auf objektiven Messparametern beruht. Dies bringt folgende Vorteile:
- Objektivierung bei der Beurteilung der Messdaten
- Reduktion des subjektiven Einflusses durch unterschiedliche Bearbeiter
- Anwendung der selben Eingriffsschwellen im gesamten Streckennetz
- Vermeidung von Fehlinterpretationen der Messdaten bzw. übersehen von Grenzwertüberschreitungen
- Angabe von Schädigungstiefe erleichtert die Ressourcenplanung
- strategisches Steuern durch anpassen einzelner Parameter möglich
Daraus ergibt sich eine Effizienzsteigerung in der Einsatzplanung und Qualitätssteigerung der Schienenoberflächenbearbeitung, da die richtigen Maßnahmen zur richtigen Zeit am richtigen Ort getroffen werden können. Dies dient der langfristigen Absicherung des hohen Sicherheitsniveaus sowie der Wirtschaftlichkeit.
Dipl. Ing. Reinhard Popp
Unversität Innsbruck, Fakultät für Technische Wissenschaften, Institut für Infrastruktur
Life Cycle Management (LCM), ÖBB Infra AG
Dipl. Ing. Dr. techn. Michael Mach
Leiter des Fachbereiches LCM, Integriertes Streckenmanagement, ÖBB Infra AG