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Life Cycle Management als nachhaltige Instandhaltungsstrategie bei der ÖBB Infrastruktur AG

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Eine leistungsstarke Eisenbahninfrastruktur muss kundenorientiert, bedarfsgerecht und perspektivisch im Sinne eines umfassenden Gesamtkonzeptes ausgebaut und instandgehalten werden. Um diese Ziele erreichen zu können, hat die ÖBB Infrastruktur AG das Infrastrukturmanagement mittels eines proaktiven Life Cycle Management (LCM) erweitert.

Durch den Ansatz der Maßnahmenentscheidung über Bewertung der Lebenszykluskosten werden technisch- wirtschaftlich optimierte Entscheidungen getroffen und so die Nachhaltigkeit der Infrastrukturanlagenanlagen sichergestellt. LCM ist bei den ÖBB mittlerweile ein fixer Bestandteil bei Neubau- Reinvestitionsprojekten und Erhaltungsplanungen geworden, und trägt somit maßgeblich zu einer kostenoptimierten und leistungsstarken Eisenbahninfrastruktur bei. Im folgenden Artikel werden einzelne Schwerpunkte der ÖBB Infrastruktur bzgl. Instandhaltungsstrategie beschrieben.

Organisation einer gesamtheitlichen Instandhaltungsstrategie

Im Regierungsprogramm vom 23. 11. 2008 der Republik Österreich ist hinterlegt, dass das „Ziel der Infrastrukturentwicklung eine Optimierung der Life Cycle Costs sein muss“. Die konsequente Umsetzung dieser optimierten Instandhaltungsstrategie erfordert allerdings einiger strategische Überlegungen und daraus abgeleiteten Handlungsbedarf. Darüber hinaus ist eine laufende Anpassung mit der Netzstrategie, der Betriebsführungsstrategie und der Anlagenstrategie erforderlich. Ziel der ÖBB Instandhaltungsstrategie ist es ein Optimum zwischen Reinvestitions- und Erhaltungsmaßnahmen unter Berücksichtigung der erforderlichen Qualität und Zielverfügbarkeit zu erreichen. Diese Bemühungen lassen sich aus ÖBB Sicht in 4 Grundsätze zusammenfassen.

1. Beschreibung des IST- Anlagenzustandes mit Maßzahlen

Grundlage zur Ermittlung von quantitativen und qualitativen Maßzahlen ist die Kenntnis und Überwachung der Ist-Bestandssituation. Hierzu zählen Kosten, Leistungsmengen (km Stopfen, Gleiserneuerung, km Schleifen…), aber auch Qualitätszahlen in Form von Störungen oder Zustandszahlen.

2. Die Frage nach der optimalen Leistungserbringung

Die Frage nach der strategisch notwendigen und wirtschaftlichen sinnvollen  Eigenwertschöpfungstiefe muss beantwortet werden. Konzentration auf das  Kerngeschäft bzw. die strategische Auslegung „Make-or-Buy-Strategie“.

3. Überwachung der Effizienz

Eine weitere Voraussetzung stellt die sog. Leistungserbringungsstrategie dar, somit die Frage, wie die Leistung erbracht wird bzw. ob sie effizient ist. Hierzu besteht bei den ÖBB seit 2006 ein Effizienzsteigerungsprogramm, welches im Teil der Ersatzinvestitionen bis 2012 ein Einsparungspotential von 5% erbrachte und in den Folgejahren ein Einsparungsziel von 8% realisieren soll.

4. Organisationsoptimierung

Ergänzend zu den beiden letzten genannten Strategien ist die Instandhaltungsorganisation zu optimieren. Diese Organisationsoptimierung begann bei der ÖBB mit der Zusammenlegung von Infrastruktur Bau AG und Infrastruktur Betrieb AG und dem Aufbau des Geschäftsbereiches Strecken- und Bahnhofsmanagement. Die Bündelung alle relevanten Tätigkeiten in ein integriertes Streckenmanagement mit dem Leitsatz „Eine Strecke eine Verantwortung“ zeigte eine sehr effektive Umsetzung der Anlagenverantwortung.

Der LCC Prozess in der Instandhaltung, „Die richtige Maßnahme zur richtigen Zeit“.

 Die Aufgabe einer nachhaltigen Netzerhaltungsstrategie ist es die Lebenszykluskosten der Anlagen möglichst gering zu halten. Dazu ist es notwendig drei Kernprozesse zu verflechten – die Instandhaltung zu optimieren, den richtigen Zeitpunkt für die Ersatzinvestition zu definieren und bei der Ersatzinvestition lebenszyklusoptimierte Anlagen zu installieren. Die Netzerhaltungsstrategie besteht demnach aus den drei aufeinander abgestimmten Teilstrategien:

  • Die Instandhaltungsstrategie kümmert sich um die Optimierung der Instandhaltungsprozesse Inspektion, Wartung, Entstörung und Instandsetzung. Ziel der Instandhaltungsstrategie ist es die Funktionalität der Anlagen bei hoher Verfügbarkeit und abgestimmter Qualität zu gewährleisten. Die Instandhaltungskosten (Summe der Kosten für die reine Instandhaltung und die zugehörigen Betriebserschwerniskosten) werden optimiert, gleichzeitig muss die Substanz der Anlage erhalten bzw. verbessert werden.
  • Die Frage nach dem optimalen Ersatzinvestitionszeitpunkt ist ein Schlüsselthema der Infrastrukturbewirtschaftung. Sie wird stark von der gelebten Instandhaltungsstrategie beeinflusst. Ziel ist es bis zum Ersatzzeitpunkt eine ausreichende Funktionalität der Anlage bei möglichst voller Ausnutzung der Substanz zu gewährleisten. Eine Programmcheck durch eine Priorisierung der Reinvestvorhaben und Instandhaltungsarbeiten, um Kosten reduzieren zu können, wird bei den ÖBB standardisiert durchgeführt. Die Betriebserschwerniskosten bei  Langsamfahrstellen werden hierbei berücksichtigt und die Verfügbarkeit der Infrastruktur optimiert. Dies Trägt zur Erhöhung der Zuverlässigkeit und zu einer Sicherstellung der Zielqualität der Infrastruktur (Geschwindigkeit, Kapazität, Belastung) bei.
  • Kommt es zur Ersatzinvestition ist es notwendig eine auf die konkreten Rahmenbedingungen abgestimmte Erneuerungsstrategie umzusetzen. Ziel ist es Anlagen zu installieren, die aufgrund ihrer Eigenschaften – Zuverlässigkeit, Verfügbarkeit, Instandhaltbarkeit und Sicherheit (engl. RAMS) – und Substanz minimale Lebenszykluskosten verursachen.

Instandhaltungsstrategie und Optimaler Ersatzzeitpunkt sind Themen der Netzerhaltung. Die Erneuerungsstrategie wird sowohl bei der Netzerhaltung als auch bei der Netzerweiterung angewendet.

Für eine unternehmerisch optimierte Steuerung ist es notwendig Kennziffern für das Verhalten der Anlagen (Qualitätszustände) und Parameter für die Substanz der Anlagen (Restnutzungsdauern) möglichst genau zu bestimmen. Qualitätszustände sind für die Planung von Instandsetzungsmaßnahmen vonnöten, während die Restnutzungsdauern die Notwendigkeit für den Ersatz von Anlagen (die Ersatzinvestition) beschreiben. Eine optimierte Infrastrukturbewirtschaftung benötigt eine ausgewogene Balance zwischen Qualität und Substanz der Anlagen.

Das Team LifeCycleManagement der ÖBB Infrastruktur kümmert sich genau um diese Fragestellungen. In enger Zusammenarbeit mit den ÖBB-Fachspezialisten werden Instandhaltungsstrategien und Erneuerungsstrategien gewerkebezogen entwickelt. Bei größeren Vorhaben wird der optimale Ersatzzeitpunkt mittels LCC-Analysen erarbeitet.

Der Oberbau als Leitgewerk

Das gesamte Bestandsschienennetz der ÖBB-Infrastruktur umfasst ca. 10.000 Km Gleise und ca. 16.000 Weichen, davon ca. 6.000km Gleise bzw. 6.000 Weichen im sogenannten Kernnetz, dem hochrangingen Netzteil der ÖBB. Das derzeit bestehenden Durchschnittsalter liegt bei Gleisen nahe 22 Jahren und bei den Weichen bei ca. 25 Jahren. Das Kernnetz liegt hierbei bei ca. 20 Jahren Durchschnittsalter, bei einer Zielnutzungsdauer von durchschnittlich 40 Jahren, ergibt sich ein durchschnittlicher Erneuerungsbedarf von etwa 200 Km Gleisen pro Jahr, der zur Zeit nahezu umgesetzt wird.

Der Netzzustand hat sich insgesamt in den letzten Jahren positiv entwickelt, ersichtlich in der Reduzierung von Spurweitenfehlern, Schienenbrüchen, Einzelfehlern etc. Zugenommen haben allerdings die detektierten Oberflächenfehler – Head-checks mit Schwerpunkt im Radiusbereich von ca. 600m bis ca. 3000m.

Die Schieneninstandhaltung

Seit Anbeginn der Eisenbahn trägt und führt die Schiene das Fahrzeug, jedoch steigen die einwirkenden Kräfte auf den Fahrweg durch wachsende Achslasten, Geschwindigkeiten und Traktionskräfte stetig an. Die Reaktion der Schiene hierauf sind Rollkontaktermüdungserscheinungen, sogenannte Head Checks (HC), deren Entfernung Infrastrukturbetreiber mittlerweile vor sehr große monetäre, technische und baubetriebliche Herausforderungen stellen. Eine kontinuierliche Schieneninstandhaltung ist jedoch unumgänglich, da diese massiv zur Sicherheit, Langsamfahrstellen-Prävention und Reduktion von Lebenszykluskosten des Fahrweges beiträgt. Die ÖBB Life Cycle Cost Strategie Schiene besteht in diesem Zusammenhang einerseits aus einem reaktiven Ansatz, bei dem Schienenschädigungen durch Verschleifen entfernt werden, und einem präventiven Ansatz der auf höhere Schienengüten bei entsprechenden Anlagenverhältnissen und Gleisbelastungen fokussiert ist.

Ziel ist es, die Schiene bei niedrigen Erhaltungskosten so lange wie möglich im Gleis zu halten, um so die optimale wirtschaftliche Nutzungsdauer für die Schiene erzielen zu können.

Eine besondere Bedeutung hat hier die richtige Wahl der Interventionsgrenzwerte bei der Erstellung eines Schienenbearbeitungsprogrammes. Instandhaltungsziel sind derzeit Strecken mit einer HC Tiefe bis 1 mm Tiefe und Schlupfwellen bei engen Radien mit Achslagerbeschleunigungen über 10 g schleiftechnisch zu behandeln.

Die ÖBB kombinieren bei der Schienenschädigungsdetektion Messauswertungen vom Oberbaumesswagen der ÖBB EM 250, sowie von den Wirbelstrom- bzw. Ultraschallprüfzügen zur Risstiefenerkennung (Abbildung 1). Durch das Wirbelstromprüfverfahren wird der Schienenkopf oberflächennah bis zu einer Tiefe von 3 mm überprüft. Die Schienenbearbeitungsplanung erfolgt aufbauend auf diesen Messungen  bzw. zusätzlichen händischen Wirbelstromprüfungen.

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Abbildung 1

Derzeit werden ca. 700 km Gleise im Jahr bei den ÖBB geschliffen, was dem jährlichen Sollmaß bei der heutigen Gleisbelastung entspricht. Durch die systematische und konstante Vorgangsweise bei der Schieneninstandhaltung konnte die Schienenbruchhäufigkeit innerhalb der letzten vier Jahre auf ein Drittel des Niveaus von 2009 reduziert werden. Ebenso konnten die erforderlichen Schienenneulagen, verursacht durch Head Check Ausbrüche, markant reduziert werden.

Ist die Schiene jedoch schon so weit geschädigt oder die Substanzreserve aufgebraucht, muss diese erneuert werden. Durch netzweite Auswertungen von Schienenverschleißraten, Schädigungsverhalten und jahrelangen Schienengüteversuchen wurde eine LCC Strategie für die Schienenerneuerung entwickelt. Die ÖBB Infra AG hat für den durchschnittlichen ca. 550 km jährlich benötigten Schienentausch folgenden in Abbildung 2 angeführten, strategischen Ansatz.

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Abbildung 2 Schienenstrategie der ÖBB, Radien und Belastungsabhängig, R260 Standardgüte, R 350 HAT (Kopfgehärtet)

Die Schienenpflege bzw. die Instandsetzungsmaßnahmen allgemein sind hierbei jedoch immer in Abstimmung mit der Restnutzungsdauer des Gleises vorzunehmen, um die Anlagensubstanz voll auszuschöpfen zu können. Die technisch wirtschaftliche Abwägung zwischen sinnvoller Instandhaltung oder Kompletterneuerung ist eine zentrale Aufgabe des LCM-Prozesses. Erreicht eine Fahrweganlage das Alter, bei dem eine Erneuerung aufgrund des vorhandenen Verschleißes schon in Betracht gezogen werden muss, ist zu analysieren, ob eine alternative Instandhaltung der Re-Investition aus Sicht der Lebenszykluskosten noch vorzuziehen ist.

Verlängerung der Schotterbettnutzungsdauer

Ziel der ÖBB Infrastruktur AG ist es, die reale Nutzungsdauer des Oberbaues auf 35-40 Jahre zu verlängern und unterdessen die Wartungs- und Instandsetzungsmaßnahmen zu reduzieren. Diese Aufgabe ist mit Innovation, Design-Engineering und den entsprechenden Produktweiterentwicklungen aller Fahrwegkomponenten zu  erzielen.

Mit innovativen Ansätzen konnten bei den ÖBB mittlerweile beachtenswerte Erfolge erzielt werden, insbesondere durch den Einsatz von Schwellenbesohlungen und elastischen Schienenzwischenlagen bei Gleisen und Weichen. Dieser elastischer Oberbau verfolgt das Ziel, den dynamischen Krafteintrag und somit die Schotterbettbeanspruchung zu reduzieren. Die Erfahrungen mit Schwellenbesohlungen zeigen, dass sich die Setzungsraten massiv verringern, der Schotter geschont wird und das Gleis bei engen Bögen zu geringerer Schlupfwellenbildung neigt. Die Verwendung von Schwellenbesohlung ist eine instandsetzungsmindernde und nutzungsdauerverlängernde Maßnahme und daher aus LCC Sicht sehr positiv zu beurteilen. Besohlte Schwellen, dh. Gleisschwellen und Weichenschwellen werden bei den ÖBB ab einer Gleisbelastung von mehr als 30.000 Brutto Tonnen eingebaut.

Derzeit sind im Infrastrukturnetz der ÖBB schon mehr als eine Million besohlte Schwellen und 650 besohlte Weichen im Bestand. Die Stopfzyklen können nachweislich durch diese elastischen Elemente um bis das Dreifache verlängert werden, was sich einerseits monetär als auch hinsichtlich Streckenverfügbarkeit positiv auswirkt.

Für die Beschreibung des Setzungsverhaltens des Oberbaues ist das Längshöhensignal (Messung EM 250) ein aussagekräftiger Parameter, da dieses Signal die realen Setzungen der Gleise widerspiegelt. Die gleitend berechnete Standardabweichung bietet die Möglichkeit, die Veränderungstendenzen des Oberbaues in anschaulicher Weise darzustellen.

In der folgenden Grafik (Abbildung 3) wird das Setzungsverhalten des Gleises durch die Standardabweichung des Längshöhensignales über ca. 10 Jahre für besohlte und unbesohlte Schwellen eines Versuchsabschnittes dargestellt.

PowerPoint-Präsentation

Abbildung 3 Längshöhensignal aus der Messung EM 250 für besohlten und unbesohlte Schwellen in einem Versuchsabschnitt

Zusammenfassung

Sämtliche Systeme und Komponenten die für eine Eisenbahninfrastruktur Verwendung finden, müssen als oberste Prämisse den sicheren Bahnbetrieb, den technischen Erfordernissen und die Vorgaben zur Verfügbarkeit erfüllen. Strategisches Ziel der ÖBB Infrastruktur AG ist es, die reale Nutzungsdauer ihrer Anlagen zu verlängern und unterdessen die Wartungs- und Instandsetzungsmaßnahmen zu reduzieren. Diese Aufgabe ist nur mit Innovation, Design-Engineering und den entsprechenden Produktweiterentwicklungen der entsprechenden Komponenten zu erfüllen.

Die Abstimmung der Instandsetzungstätigkeiten mit der Erneuerungsplanung stellt einen zentralen technischen Stellhebel für die Infrastrukturbewirtschaftung dar.

Ein Spezifikum der Eisenbahninfrastruktur – auch die des Fahrweges – sind die langen Nutzungsdauern der Anlagen. Die Nutzungsdauern werden durch entsprechendes Design der einzelnen Anlagenbauteile und durch eine entsprechend angepasste Instandsetzung erreicht.

Durch ein konsequentes Anlagenmanagement – verbunden mit einer schnellen Umsetzung von innovativen Lösungen – kann die ÖBB in Zukunft eine moderne Fahrweginfrastruktur anbieten. LCM leistet hierfür, mit den folgenden Punkten, einen wichtigen Beitrag.

  • LCC Analysen als fixer Bestandteil des Anlagenmanagements
  • Auf LCC basierende Schieneninstandhaltung und Schienenstahlstrategie
  • Bewertung des idealen Investzeitpunktes bei Gleiserneuerungen
  • Elastischer Oberbau zur Reduktion des Erhaltungsaufwandes
  • Kosten- und Verfügbarkeitsoptimierung durch die gewerkeübergreifende Streckensicht

 

Dipl. Ing. Dr. techn. Michael Mach

Leiter des Fachbereiches LCM
Integriertes Streckenmanagement
ÖBB Infra AG

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